LdM Favoritenliste Juli 2022

 

Literatur des Monats – Ran ans Buch

„Literatur des Monats – ran ans Buch!“ Ist das nur eine weitere Bestsellerliste? Keineswegs. Der kommerzielle Erfolg ist für ein Buch zwar wichtig, jedoch ist er nur ein Faktor bei der Betrachtung und Beurteilung von Literatur. Von Büchern. Wir haben einen „ganzheitlicheren“ Ansatz und hieven also durchaus Bücher auf unsere Favoritenliste, die anderswo weniger Chancen haben. Zu unrecht.

Unsere Jury, zusammengesetzt aus den unbefangenen Gernleser:innen aus unserer Hörer:innenschaft und aus unseren versierten Literatur-Expert:innen, haben entschieden: Hier ist unsere Favoritenliste für den Monat Juni 2022.

Ausgewählt nach Optik, Haptik, Klappentext, Satzspiegel, Illustrationen und Inhalt. In alphabetischer Ordnung. Wir präsentieren:

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Literatur des Monats – Ran ans Buch – Siegertitel Juli 2022

Babylonisches Repertoire

 

Autor: Gabriel Wolkenfeld – Verlag: Müry Salzmann

 

Die Geschichte einer jüdischen Familie über Generationen und Ländergrenzen hinweg. Ein Panoptikum aus Erzählungen, albern, nachdenklich, dem Irrsinn unserer Tage entwachsen.

Mit welcher Erzähl- und Sprachkraft Gabriel Wolkenfeld diesen großen Bogen schlägt und dabei das Gleichgewicht hält zwischen dem Wissen um sein handwerkliches Tun und der Hingabe an den Strom der Erinnerung, ist große Kunst.

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©AyseYavas

Venedig, 1911

 

Autor: Martin Frank – Verlag: Rimbaud Verlagsgesellschaft mbH

 

Ein erfolgreicher deutscher Dichter will im Grand Hotel einige Tage mit einem Junge Alles Schöne geniessen:

Wie lächerlich ist der Glaube, dieses harmlose Vergnügen vermöchte einen Künstler zu zerstören! Wie kann ein ächter Künstler sich entfalten –, sollte es auch das gesunde Volksempfinden verletzen –, wenn er sich von kleinbürgerliche Vorurteilen einschränken lässt?“

Anders als in Thomas Manns Meisternovelle „Der Tod in Venedig“ kommt in Martin Franks „Venedig, 1911“ auch Tadzio zu Wort:

Und, sollte ich hier ins Bett pissen, drohte sie mir gleich klafterweise Prügel, dass sie mich an ein Pflockhaus für Seeleute in Triest verkaufen würde, wo – was folgte, ist zu ordinär, um es zu niederzuschreiben. Können Sie es sich vorstellen, ohne zu erröten? – denn nun hing, merkte ich, auch Rosa davon ab, dass ich den dottore um einen Finger nach dem andern wickelte.“

Martin Frank, *1950, Autor der Romane „ter fögi ische souhung“, „La Mort de Chevrolet“, „Ocean of Love“, vieler Kurzgeschichten und Gedichte, beschreibt in „Venedig, 1911“ das schwüle mélange von Kultur und Päderastie vor dem ersten Weltkrieg.

„Auf artifiziell höchster Ebene vermittelt Martin Frank noch Luczino Visconti und Benjamin Britten einen weiteren Zugang zu Thomas Manns Novelle.“ Bernhard Albers

Literarischer Inhalt
8.8
Cover/Illustration
7.9
Haptik
9
Satzspiegel
8.6
Klappentext
9.2
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© MEYER ORIGINALS

Kaiserstuhl

 

Autorin: Brigitte Glaser – Verlag: List Verlag

 

Zwei Menschen in einer Grenzregion

Am Kaiserstuhl kreuzen sich kurz nach Kriegsende die Wege von Henny Köpfer und Paul Duringer. Die Tochter eines Weinhändlers und der elsässische Soldat leben auf dem Hof der alten Bäuerin Kätter. Mit ihr und dem kleinen Kaspar wachsen sie zu einer Familie zusammen. Doch es sind keine einfachen Zeiten. So leicht die Liebe entstand, zerbricht sie auch wieder. Paul verschwindet ganz plötzlich, und auch Henny kehrt dem Kaiserstuhl den Rücken.
Erst 1962 stehen sich Henny und Paul wieder gegenüber. Sofort brechen alte Wunden auf, und am liebsten würden beide noch einmal davonlaufen. Doch das können sie nicht. Denn Henny ist im Besitz einer alten Champagnerflasche, die Paul im Auftrag des französischen Sicherheitsdienstes sucht. Sie ist an Symbolkraft kaum zu überbieten, sie steht für die Plünderungen der Deutschen in Frankreich und soll Adenauer und de Gaulle bei einem Festakt überreicht werden.

Literarischer Inhalt
8.9
Cover/Illustration
8.8
Haptik
9.3
Satzspiegel
9.1
Klappentext
9.5
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Copyright-Thomas-Larcher

Regenbogenweiß

 

Autorin: Friederike Gösweiner – Verlag: Literaturverlag Droschl

 

Was ist ein glückliches Leben?

„So viele Entscheidungen, die damals noch ungetroffen waren, die getroffen werden mussten, damit es sie hier heute gab. Und jede hätte anders ausfallen können und dann wäre sie heute nicht. Aber wie traf man Entscheidungen, dachte Filippa. Wie traf man sie richtig.“

Ein großer Roman über Weg- und Umbrüche und die Frage nach einem glücklichen Leben in einer aus dem Gleichgewicht geratenen Welt.

Literarischer Inhalt
9.7
Cover/Illustration
8.9
Haptik
9.7
Satzspiegel
9.5
Klappentext
9.4
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Literatur des Monats – Ran ans Buch – Sonderwürdigung Juli 2022

Nacht Farben

 

Autorin: Josephine Katharina Groß – Verlag: Neopubli GmbH

 

Finde mich,

wo sich der Tag dem Ende neigt

und die Nacht beginnt …

J.K.G.

Literarischer Inhalt
7.5
Cover/Illustration
10
Haptik
9.8
Satzspiegel
9.4
Klappentext
8.4
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(c) Urs Hürzeler

Da hinauf

 

Autorin: Marianne Künzle – Verlag: Nagel & Kimche

 

Zwei Frauen – zwei Zeiten – ein Berg

Auf einer Bergtour entdeckt Annina, eine junge Journalistin, eine Leiche, die der Gletscher freigegeben hat. Der Kleidung nach muss die Tote Jahrzehnte im Eis eingeschlossen gewesen sein. Die tote Frau ist Irma, die in den Fünfziger Jahren hier gewandert ist.

Die Gestalt des Gletschers hat sich von Irma zu Annina drastisch gewandelt – in den Fünfzigerjahren ist der Gletscher ein weißer Koloss, im Heute hören wir ihn tropfen, bröckeln.

Irma und Annina begehen zeitlich verschoben denselben Weg. Ihre Wahrnehmung ist aber eine gänzlich andere, ihr Zugang zu sich selbst und der Landschaft unterschiedlich.

Literarischer Inhalt
8.7
Cover/Illustration
8.9
Haptik
9.7
Satzspiegel
7.5
Klappentext
9.1
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Spyderling

 

 

Autor: Sascha Macht – Verlag: Dumont Verlag

 

„Das Spiel, dieser merkwürdige Mensch zu sein in dieser merkwürdigen Welt, die aus nichts anderem besteht als auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aus Gesichtern von Freunden und Obdachlosigkeit und Tourismus. Das Spiel als Verweigerung, ein Spiel sein zu müssen. Der merkwürdige Mensch als Verweigerung, ein Mensch sein zu müssen. Wo gibt´s denn so was? Na hier. Schaut doch mal genau hin! Seht ihr es denn nicht?“

„Sascha Macht ist ein begnadeter Schöpfer absurder Verhältnisse und wirrer Welten. Seine Texte sind alles andere als Literatur der Sanftmut. Sie sind wie aufgepeitschte See, Hochzeitsparty in der Geisterbahn und eine scharfsichtige, scharfzüngige Abrechnung.“ Märkische Oderzeitung

Literarischer Inhalt
8.6
Cover/Illustration
8.3
Haptik
8.3
Satzspiegel
9.1
Klappentext
8.5
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(c) Gaby Waldeck

Stäube

 

Autor: Clemens Meyer – Verlag: Faber & Faber

 

Clemens Meyer schreibt über Wüstungen, Höhlen, Bergwerke, Abraume – alles verwunschene Landschaften, die unsere Phantasien bewegen.

Literarischer Inhalt
8.6
Cover/Illustration
8.8
Haptik
9.7
Satzspiegel
9.4
Klappentext
8.1
Radio 889FM Kultur, 889FM Kultur, 889FM
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Die Erinnerung an unbekannte Städte

 

Autorin: Simone Weinmann – Verlag: Antje Kunstmann

 

2045. Eine Katastrophe hat die Menschen auf eine karge bäuerliche Existenz zurückgeworfen, viele finden Trost im Glauben. Nathanael und Vanessa sind jung, wollen sich nicht abfinden und laufen fort. Ihr Lehrer soll sie suchen. Doch der Weg führt für alle drei durch gefährliches Terrain.

Ein Roman über eine nahe Zukunft, so packend und eindrücklich, wie nur große Literatur davon erzählen kann.

Literarischer Inhalt
9.1
Cover/Illustration
8.7
Haptik
9.6
Satzspiegel
9.6
Klappentext
9.4
Radio 889FM Kultur, 889FM Kultur, 889FM
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(c) Annette_Hauschild-Ostkreuz

So tun, als ob es regnet

 

Autorin: Iris Wolff – Verlag: Klett-Cotta

 

»Iris Wolff findet starke Bilder für ihren die historische Erfahrung eines ganzen Jahrhunderts umspannenden Roman.« Denis Scheck

Über vier Generationen des 20. Jahrhunderts und vier Ländergrenzen hinweg erzählt Iris Wolff beglückend poetisch von Jacob, Henriette, Vicco und Hedda. Sie alle erfahren, wie fragil ihre Lebensentwürfe vor dem Hintergrund der Geschichte sind und dass das Zusammenspiel aus Freiheit und Anpassung, Zufall und freiem Willen stets in Bewegung ist.

„Iris Wolff erzählt aus einer tiefen Ruhe heraus. Sie weitet dadurch die Zeit. Für ein Jahrhundert und etliche Menschenleben braucht sie nicht einmal zweihundert Seiten. Und nichts fehlt.“

Carsten Hueck, SWR2

Literarischer Inhalt
9.6
Cover/Illustration
8.8
Haptik
9.5
Satzspiegel
9.6
Klappentext
9.2